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Philipp Wälchli:
Zur Religiosität von Konstantin dem Großen

 
Foto: Kurt Scheuerer
Konstantins Religiosität ist in der Forschung eine reichlich umstrittene und weithin offene Frage.

Zunächst geht es um die Offenbarung, die er angeblich oder wirklich erlebt haben will. Nun gibt es zwar schön ausgemalte Legenden, aber die ältesten Berichte sind sehr knapp, geradezu lapidar und geben keine Einzelheiten her, was allerdings dafür spricht, dass etwas Wahres daran sein muss, nur was genau Konstantin erlebt hat, wissen wir nicht.

 

Wenn man sich Konstantins Handeln vor der Schlacht gegen Maxentius ansieht, so erkennt man schon in dieser heidnischen Phase einige auffällige Dinge:
Offenbar hat Konstantin bereits damals die Auffassung vertreten, dass es nur einen einzigen Gott geben könne, allerdings hat er sich diesen noch heidnisch vorgestellt (ähnlich sieht es dann später mit Kaiser Julian aus, der sich die heidnischen Gottheiten wohl als verschiedene Ausdrucksweisen ein und desselben Gottes vorgestellt haben dürfte, eine Gottesvorstellung, die in den Begriffen der christlichen Trinitätsdiskussion als modalistisch beschrieben werden könnte, heute allgemein aber als Henotheismus im Unterschied zum echten Monotheismus bezeichnet wird).
Eine solche Gottesvorstellung war übrigens nicht so unüblich, wie man meinen könnte: Antike Philosophie hatte schon seit langem theoretisch gefolgert, es könne in Wahrheit nur eine einzige Gottheit geben, allerdings waren die Eigenschaften, die man dieser Gottheit zuschrieb, sehr verschieden von den Eigenarten des biblischen Gottes, und niemand wandte sich gegen unterschiedliche Kulte für diese einzige Gottheit. Genau an diesem kultischen Pluralismus nahm jedoch das Christentum Anstoss, desgleichen das Judentum.

In den späteren Jahren zeigte sich bei Konstantin ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein. So bezeichnete er sich gerne als Mit-Bischof der Bischöfe oder als Bischof für die weltlichen Angelegenheiten. In bewusstem Gegensatz zu seinen Vorgängern Diokletian, Galerius usw., die als Tetrarchen in beabsichtigter Analogie zur Mehrzahl heidnischer Götter gemeinsam herrschten, stand Konstantins Monarchie in Analogie zum einen Gott. Ob schon in seinen frühen heidnischen Jahren dieses religiöse Sendungsbewusstsein, der Glaube, selbst erwählt zu sein, Ausdruck fand oder nicht, ist wieder eine umstrittene Sache, aber es zeigt sich doch, dass Konstantin auf einer Ebene sehr elementaren religiösen Erlebens berührt war und sich dem Christentum verbunden wusste.
Hingegen ist äusserst fraglich, ob er je eine Katechese besuchte, sich selbst als Gläubigen ansah und am Ende die Taufe auf eigenen Wunsch empfing, wie es die Legende behauptet.

Manches, was er tat, war wohl durch politische Zwänge diktiert: In seinen offiziellen Inschriften und Bauten liess er Sol invictus, der für Heiden als Inbegriff der Gottheit an und für sich akzeptabel und bekannt war, aber auch christlich gerade noch allegorisch auf Gott gedeutet werden konnte, darstellen, verwandte doppeldeutige Begriffe usw. So konnte er halbwegs den Gefühlen seiner heidnischen und seiner christlichen Untertanen gerecht werden, und ein gut Teil politisches Kalkül dürfte auch bei seiner Wertschätzung des Christentums mitgespielt haben, scheint er doch die universalistische Kraft, die die Grenzen von Völkern und Ländern überschreiten konnte, in der christlichen Botschaft erkannt oder doch wenigstens gespürt zu haben.

Interessant sind dann vor allem seine Eingriffe in die christlichen Angelegenheiten.
Auf dem Konzil von Nikaia setzte er eine bestimmte Form des Glaubensbekenntnisses durch, die wohl kaum akzeptiert worden wäre, wenn nicht seine Autorität die versammelten Bischöfe gedrängt hätte. Konkret ging es um das Wort homousios "gleichen Wesens", nämlich dass Christus und Gott Vater eben dieses gleichen Wesens seien. Dieser Begriff wurde von den Arianern abgelehnt, weil sie Jesus nicht für gleichermassen göttlich wie Gott Vater ansahen, aber auch viele Anti-Arianer lehnten diesen Begriff ab, weil sie ihn für missverständlich und nicht sachgerecht hielten, was sich insofern als richtig erweisen sollte, als später um diesen Begriff die erbittertsten Schlachten geschlagen wurden. Man wird nun den Eindruck nicht los, dass Konstantin mehr daran interessiert war, dass die Einheit des Christentums gewahrt bleibe, als dass er verstanden hätte, weshalb und worüber da gestritten wurde.

Konstantin verlangte auch, dass das Konzil eine Einheitslösung für den Termin des Osterfestes beschloss, was dann auch geschah. Hintergrund dieser Sache war, dass seit alters in verschiedenen Teilen des Reiches an verschiedenen Tagen Ostern gefeiert wurde. Es gab ungefähr drei verschiedene Lösungen: Die ersten beiden richteten sich nach den noch heute gültigen Grundsätzen für den Ostertermin, aber sie berechneten die astronomischen Rechnungen etwas anders, was dann in manchen Jahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führte, die dritte Position war die, dass man ganz einfach Ostern am 14. Nisan nach jüdischem Kalender feierte.
Konstantin verwarf diesen Brauch als jüdisch, und ein erhaltener Brief, den er in dieser Sache verfasste, zeigt ihn als eifernden Judenhasser, der kein einziges theologisches Argument bringt, sondern in allen möglichen Varianten den Grundgedanken auswalzt, man dürfe keine Gemeinsamkeit mit diesen Vater- und Herrenmördern (gemeint ist natürlich, dass die Juden Schuld an Jesu Hinrichtung trügen) haben.
Doch die Sache war zumindest diskutabel, handelte es sich doch um alte Traditionen, deren Verschiedenheit früher kaum je gestört hatte, unter dem Gesichtspunkt der Einheit von Christentum und römischem Reich, das latent zu zerbröckeln drohte, jedoch anstössig schien. Konstantin drückte, wiederum im Interesse der christlichen sowohl als der politischen Einheit im wesentlichen die römische Bestimmung des Ostertermins durch. Das ist auch die Lösung unserer Osterfestregel, indem der Wochentag der Auferstehung Jesu, der Sonntag, festgehalten wird, während die 14. Nisan-Regelung das Datum festgehalten hat. Beides ist diskutabel. Konstantin war da anderer Ansicht, und in späteren Jahren hat er sogar an seinem eigenen Wort homousios gewisse Abstriche gemacht, in der vagen Hoffnung, die Arianer wieder zur Einheit mit den übrigen Christen zu führen.

Seine "christlichen" Ansichten waren also von recht eigener Art, wenn ich das einmal so ausdrücken darf. Es ist also nicht so ohne weiteres möglich, Konstantin einfach als Christen zu bezeichnen. Ein "guter Christ" war er jedenfalls nicht, auch kein vorbildlicher, sondern ein "Christ" ganz eigener Prägung.

Philipp Wälchli, 2002


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