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Andreas Tillmann
Riekofen: Doppelkreisgrabenanlage der Pollinger Kultur

 

Eine Doppelkreisgrabenanlage der Pollinger Kultur aus Riekofen, Lkr. Regensburg

Der Ort Riekofen liegt etwa 25 km südöstlich von Regensburg in einer der fruchtbarsten Landschaften Südostbayerns. Mit Blick auf die Einwohnerzahl ist die Gemeinde im Landkreis Regensburg zwar deutlich die kleinste, doch darf sie aufgrund der hohen Dichte an Bodendenkmälern auf ihrem Grund mit Recht zu den bedeutendsten Gemeinden südlich der Donau gezählt werden. Wo immer es zu Erdbewegungen kommt, muß der Archäologe mit allem rechnen, denn auf Riekofener Boden ist man vor Überraschungen nie sicher1.

Aus diesem Grunde ist die Ortschaft in der Fachwelt seit langem als feste Größe bekannt und sorgte in der Vergangenheit schon mehrfach für Aufsehen. Erinnert sei hier nur an die reichen Urnengräberfelder2 oder auch an die Ausgrabungen in dem Chamer Erdwerk im "Kellnerfeld", aus dem einer der umfangreichsten und bedeutendsten Fundkomplexe des späten 4. Jahrtausends v.Chr. geborgen werden konnte3.

1995 geriet nun durch Zufall der östliche Ortsausgang Riekofens in den Blickpunkt, und zwar eine Fundstelle, von der ehrenamtliche Mitarbeiter seit Jahren ein umfangreiches Fundmaterial zusammengetragen haben, das zeitlich von der Linearbandkeramik bis zum Mittelalter reicht. Eine Prospektionsbefliegung in den 80er Jahren ergab erste vage Hinweise auf ein Erdwerk, und in dem trockenen Sommer 1994 gelangen die ersten Aufnahmen einer mächtigen Doppelkreisgrabenanlage, die von der Verbindungsstraße von Riekofen nach Dengling durchschnitten wird. Die mächtige Kreisgrabenanlage mit einer Torsituation im Südsüdwesten ist auf den Luftbildern gut zu erkennen4.

Die Entzerrung des Luftbildes und seine Projektion in die Flurkarte ergab für den äußeren Graben einen Durchmesser von etwa 73 auf 54 m, mit einem Eingang nach Süden, und für den inneren Graben einen Durchmesser von 52 auf 36 m5.

Die Wahl des Platzes an gerade dieser Stelle war keinesfalls zufällig, sondern ganz exakt auf die örtliche Topographie abgestellt. Angepaßt an einen hier etwa vier Meter hohen Geländesporn, konnte die Lage im Gelände nicht besser gewählt werden. Alle vorliegenden Informationen zusammen genommen ließen im Vergleich mit Erdwerken in Niederbayern an die erste mittelneolithische Kreisgrabenanlage in der Oberpfalz denken6.

Angeregt durch die Luftbilder faßte die Prospektionsabteilung des BLfD eine Magnetometermessung des Objektes ins Auge. Sie informierte das Referat Oberpfalz über dieses Vorhaben, um vorab die Verhältnisse vor Ort zu klären und die Meßerlaubnis vom Grundeigentümer einholen zu lassen.
Der mit diesen Aufgaben betraute Grabungstechniker traf dann allerdings am Ort des Geschehens nicht nur auf den Meßtrupp der Prospektionsabteilung, sondern er fand auch eine schon abgesteckte Straßentrasse vor sowie einen Bagger, der den Humus auf einer Breite von sieben Metern abtrug7. Eine sofortige Erkundigung beim zuständigen Landratsamt in Regensburg ergab dann noch am gleichen Tage, daß die Erdarbeiten zu einer genehmigten Baumaßnahme gehörten, die keine Stellungnahme des BLfD notwendig gemacht hatte. Ein sofortiger Baustopp ließ sich nur deshalb erwirken, weil die Widerspruchsfrist von einem Monat noch nicht abgelaufen war.
Schon am nächsten Tag konnte mit Arbeitskräften aus Riekofen, für deren Zuweisung der Gemeinde sehr zu danken ist, eine etwa vierwöchige Ausgrabung zur Dokumentation und Sicherung der Befunde und Funde begonnen werden, in deren Verlauf wenige bronzezeitliche Siedlungsspuren, zwei Glockenbechergräber und ein kleines Teilstück im Nordwesten der Kreisgrabenanlage freigelegt werden konnten (Abb. 1).

Abb. 1.

Abb. 1. Riekofen, Lkr. Regensburg.
Darstellung der Grabungs-, Luftbildbefunde und der Höhenschichten.

Der auf einer kleinen Fläche aufgedeckte innere Graben hatte eine Breite zwischen 1,0 und 1,5 m und eine ebenso unregelmäßige Tiefe. Im Profil gab er sich als Spitzgraben zu erkennen, der im unteren Bereich nicht sehr sorgfältig ausgehoben worden war.

Abb. 2.
Abb. 2. Profilansicht des äußeren Grabens.

Der im Abstand von etwa 10 m verlaufende äußere Graben war an
keiner Stelle breiter als 1,0 m und teilweise als Spitz-, teilweise als
unregelmäßiger Sohlgraben ausgeführt (Abb. 2).

Für die Verfüllungsgeschichte der Gräben nicht ganz uninteressant sind die beiden Glockenbechergräber, von denen jeweils eines in die nach Abschluß der Grabenverfüllung verbliebenen Mulden eingetieft wurde. Nach dem Einbringen dieser Gräber vor etwa 4.400 Jahren bis heute kann also die Erosion auf dieser Geländekuppe nicht mehr sehr gravierend gewesen sein, denn beide Bestattungen lagen unmittelbar an der Grenze vom Humus zum anstehenden Unterboden.

Aufgrund der bestechenden Ähnlichkeit mit Kreisgrabenanlagen des südostbayerischen Mittelneolithikums lag der Gedanke mehr als nahe, daß die auf der Ackeroberfläche gefundenen Scherben dieses Kulturkomplexes mit der Anlage zu verbinden seien. Überraschenderweise konnte diese Vermutung durch das bei der Ausgrabung geborgene Fundmaterial keineswegs bestätigt werden.
Zu den ältesten Funden aus den beiden angeschnittenen Gräben zählen einige stark verrundete und versinterte Scherben der Linienbandkeramik sowie einige wenige Scherben des südostbayerischen Mittelneolithikums mit dem gleichen Erhaltungszustand.
Überraschenderweise läßt sich der überwiegende Teil des verzierten Materials teils der späten Münchshöfener Kultur, mehrheitlich aber der sogenannten Pollinger Kultur zuweisen, womit das Erdwerk in einen frühen Abschnitt des Jungneolithikums datiert werden kann (Abb.3)8, also etwa in die Zeit um 4.000 v.Chr.
Mit dieser zeitlichen Einordnung ist die Anlage von Riekofen die erste dieser Art im südbayerischen Raum und stellt ein außerordentlich wichtiges Bindeglied zwischen den mittelneolithischen "Rondellen" und Erdwerken des entwickelten Jungneolithikums dar9. Besonders erkennbar wird diese "Zwitterstellung" in der Bauweise der Anlage, die einerseits noch sichtlich in der Tradition ihrer älteren Vorgängeranlagen errichtet wurde, andererseits aber deutlich degenerative Merkmale aufweist, wie beispielsweise die sehr unregelmäßig ausgeführten Gräben sowie deren geringen Tiefen gegenüber früheren Zeiten.

Abb. 3.

Abb. 3. Chronologietabelle des Neolithikums in Deutschland (n. Lüning, Anm. 8).

Mit dieser Datierung findet sich das Erdwerk in einem der interessantesten Zeitabschnitte innerhalb der jüngeren Steinzeit wieder, in welchem nicht nur entlang der Donau sämtliche kulturelle Zusammenhänge auseinanderbrachen. Am Übergang vom Mittel- zum Jungneolithikum veränderte sich in unserem Raum nahezu alles, was bis dahin Bestand hatte.
Verantwortlich für diese Änderungen sind revolutionäre Neuerungen auf dem Sektor der Metallurgie in Südosteuropa. Der Umgang mit dem neuen Metall strahlte weit über das eigentliche Erfindungszentrum hinaus, und auch in Süddeutschland finden sich nun erste Kupferartefakte10. Im Sog dieser Neuerungen veränderten sich simultan die Sozialstrukturen, das Siedlungs- und Bestattungswesen, die Keramik und auch die Silexartefakte11.

In Südostbayern ist die Münchshöfener Kultur Träger dieser Neuerungen und kann mit der Mehrzahl ihrer Keramikformen an Vorbilder aus der böhmischen Lengyelkultur angebunden werden. Erst kürzlich bestätigte sich auch der schon häufiger geäußerte Verdacht, daß sie Kupfer zumindest genutzt, vielleicht sogar verarbeitet hat12.
Auffällig in den wenigen Siedlungen dieser Zeit ist auch das geringe Vorkommen von Silexartefakten, wie es auch in Riekofen der Fall ist; selbst bei der nur kleinen Fläche sind die fünf gefundenen Artefakte, keines davon ein Gerät, für eine jungneolithische Siedlung mit Abstand zu wenig. Dieser Befund wurde schon mehrfach als Hinweis auf eine Kupferverarbeitung in der Münchshöfener Kultur interpretiert13.

Abb. 4.

Abb. 4. Riekofen, Lkr. Regensburg. Keramik aus den Gräben.
1-7 Pollinger Kultur. 8-10 Keramik der späten Münchshöfener Kultur. - M. 1:3.

Charakteristisch für die Münchshöfener Kultur sind die konischen Schalen mit verziertem Knickrand (Abb. 4,10), die Standfußgefäße und durchweg flache Gefäßböden.
Für die Pollinger Kultur, deren namengebender Fundort fernab, nämlich im südlichen Oberbayern liegt, sind die kleinen Henkeltassen mit einer teppichartigen Verzierung in feiner Furchenstichtechnik und mit ausgesparten Winkelbändern typisch (Abb. 4,1.4).
Die verarbeiteten Tone, Machart und Magerung sowie der gleiche Erhaltungszustand machen deutlich, daß die nach heutigem Wissen zwar gleichzeitigen, jedoch räumlich weit auseinanderliegenden jungneolithischen Kulturen hier in Riekofen eng verflochten sind, unter Umständen sogar nur als verschiedene Regionalstile ein und derselben Kultur zu verstehen sind, der späten Münchshöfener Kultur.

Ergänzt man diese Bemerkungen mit dem Wissen von mindestens fünf weiteren in den letzten Jahren entdeckten Fundplätzen der "Pollinger Kultur" im Regensburger Raum, so gibt sich der eponyme Fundplatz Polling, Lkr. Weilheim-Schongau, lediglich als weit im Südwesten gelegener Vorposten der späten Münchshöfener Kultur, früher auch als "Facies Wallerfing" bezeichnet, zu erkennen. Diese Sichtweise wird indirekt auch durch das in Polling verarbeitete Silexmaterial unterstützt, da es sich fast ausschließlich um einen Plattensilex aus dem Kelheimer Raum handelt14.

Eine abschließende Bewertung der kleinflächigen Rettungsgrabung in Riekofen ist zwar derzeit noch verfrüht, doch ist schon in diesem Stadium der Auswertung die Aussage zulässig, daß sich mit ihr kulturhistorisch wichtige Erkenntnisse für das frühe Jungneolithikum im südbayerischen Raum ergeben werden15.

Dr. Andreas Tillmann
Referat Oberpfalz. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Regensburg.
Eine Doppelkreisgrabenanlage der Pollinger Kultur aus Riekofen, Lkr. Regensburg
in: Beiträge zur Archäologie der Oberpfalz. Band 1. 1997. S. 123-129.


  1. Bedauerlicherweise wird diese hohe Dichte vorgeschichlicher Denkmäler auch in Riekofen eher als Hindernis und Last, denn als wichtiges kulturhistorisches Erbe gesehen und verstanden.
  2. H. Hennig, Urnenfelder aus dem Regensburger Raum. Materialh. Bayer. Vorgesch. A 65 (Kallmünz/Opf. 1993) 125 ff.
  3. I. Matuschik/Hj. Werner, Eine befestigte Siedlung des Endneolithikums aus Riekofen-Kellnerfeld, Lkr. Regensburg. Ber. Bayer. Bodendenkmalpfl. 22/23, 1981/82, 37 ff.
  4. Siehe dazu den Beitrag von H. Becker in diesem Band.
  5. H, Becker, Die Kreisgrabenanlagen von Gneiding und Riekofen. Arch. Jahr Bayern 1994 (1995) 36 ff. - Zur magnetischen Prospektion des Riekofener Erdwerkes auch H. Becker/A. Tillmann, Eine Kreisgrabenanlage des frühen Jungneolithikums aus Riekofen. Arch. Jahr Bayern 1995 (1996) 37 ff.
  6. J. Petrasch, Mittelneolithische Kreisgrabenanlagen in Mitteleuropa. Ber. RGK 71, 1990, 407 ff.
  7. An diesem Beispiel, und man könnte beliebig viele nennen, ist die ganze "Machtfülle" des Art. 8 Denkmalschutzgesetz zu ermessen. Weder in den 70er Jahren, als die Verbindungsstraße nach Dengling ausgebaut wurde, noch 1995 wurden von den Bauträgern die, selbst für Laien unübersehbaren, Gräben gemeldet. Bei einer sachlichen Betrachtungsweise ergibt sich dagegen folgendes Bild: Von den etwa 1900 m Straßentrasse waren nicht mehr als 100 m durch Bodendenkmäler "belastet". Bestenfalls vier Wochen hätte eine archäologische Befundsicherung gedauert, und bei einer ordentlichen Zusammenarbeit aller Beteiligten besteht kein Grund zu der Annahme, daß der Straßenbau dadurch in irgendeiner Weise aufgehalten worden wäre.
  8. Die hier gezeigte Chronologietabelle stammt aus: J. Lüning, Erneute Gedanken zur Benennung der neolithischen Perioden. Germania 74, 1996, 233 ff. Abb. 1.
  9. I. Matuschik, Grabenwerke des Spätneolithikums in Süddeutschland. Fundber. Baden-Württemberg 16, 1991, 27 ff.
  10. J. Lüning, Eine Siedlung der mittelneolithischen Gruppe Bischheim in Schernau, Ldkr. Kitzingen. Materialh. Bayer. Vorgesch. A 44 (Kallmünz/Opf. 1981) 141.
  11. J. Lichardus (Hrsg.), Die Kupferzeit als historische Periode (Bonn 1991).
  12. K. Böhm/R. Pielmeier, Der älteste Metallfund Altbayerns in einem Doppelgrab der Münchshöfener Gruppe aus Straubing. Arch. Jahr Bayern 1993 (1994) 40 ff.
  13. M. Nadler et al., Südbayern zwischen Linearkeramik und Altheim: ein neuer Gliederungsvorschlag. In: H.-J. Beier (Hrsg.), Der Rössener Horizont in Mitteleuropa (Wilkau-Hasslau 1994) 127 ff. bes. 185.
  14. H. Müller-Karpe, Die spätneolithische Siedlung von Polling. Materialh. Bayer. Vorgesch. 17 (Kallmünz/Opf. 1961) 22.
  15. Zu weiteren Funden aus der Riekofener Grabung siehe Beitrag P. Schröter über die beiden Glockenbecherbestattungen sowie Beitrag A. Tillmann über das außergewöhnliche Gefäß der ausgehenden Frühbronzezeit.


Siehe auch:


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