- 04.12.98 bis 10.01.99
- Aller Anfang liegt im Dunkeln
- Die ersten Neuburger vor mehr als 1200 Jahren
- Ausstellung im Rahmen des Mittelalterprojektes
- zur Zivilisationsgeschichte der frühen Neuburger
- Städtische Galerie im Rathausflez
- Vor 1200 Jahren erhob Papst Leo III. Salzburg zum Erzbistum und unterstellte ihm die bayerischen Bischöfe, darunter auch Bischof ,,Sintpert von Neuburg". Für Salzburg Anlaß zu einer großen Jubiläumsfeier, wirft das Jahr 798 für Neuburg viele unbeantwortete Fragen von neuem auf.
- Gab es ein selbständiges Bistum Neuburg, seit wann bestand es und befand sich der Bischofssitz in Neuburg an der Donau? Gerade die Tatsache, daß zum Teil aus unverständlichen Gründen ein Neuburg als Bischofssitz an verschiedensten Plätzen gesucht wurde, nur nicht an der Donau, ist für die Stadt eine zusätzliche Herausforderung, sich mit ihrer frühmittelalterlichen Geschichte zu beschäftigen. Schließlich ist der Neuburger Stadtberg einer der wenigen Orte in Bayern, der durch seine Besiedlungsgeschichte ein würdiges Umfeld für einen Bischofssitz bot.
- Gerade aber die Zivilisationsgeschichte auf und um den Stadtberg liegt noch zum großen Teil im Dunkeln, auch wenn die Grabungen in letzter Zeit manches aufhellen konnten. Den neuesten Stand der archäologischen Forschung will diese Ausstellung einem breiten Publikum präsentieren. Sie soll nicht zuletzt Schülern und Laien einen Einblick in die geschichtswissenschaftliche und archäologische Tätigkeit bieten und deren Ergebnisse näherbringen.
- Erstmals öffentlich gezeigt werden die restaurierten Funde aus dem Grabungsfeld des neuen Geriatriezentrums. Die durch archäologische Befunde gewonnene Vorstellung von der frühmittelalterlichen Siedlung Neuburgs soll zusammen mit Handschriften und Erklärungen zum ,,Neuburger Bistum" etwas Licht in die ,,dunklen Jahrhunderte" von ca. 500 bis 800 bringen.
- Einen bequemen Zugang zu diesem Abschnitt der Neuburger Geschichte bietet eine Computerpräsentation, die in der Ausstellung gezeigt wird. Hier kann der Besucher spielerisch und anhand von Originalquellen der spannenden Frage nach dem Neuburger Bistum nachgehen und per ,,Mausklick" vier der neuesten Grabungsfelder Neuburgs inspizieren.
- Vortrag im Stadttheater Neuburg an der Donau
- Donnerstag, 10.12.1998, 20 Uhr
- Prof. Dr. Wilhelm Störmer em. Professor für mittelalterliche Geschichte der Universität München spricht zum Thema:
- Die vielfältigen Aufgaben der Zentralorte des
- Königs und des Herzogs im mittelalterlichen
- Bayern, gezeigt insbesondere an den Beispielen
- Regensburg, Neuburg an der Donau und Altötting
- Das Thema behandelt zwar heutige Städte, aber in einer Zeit vor der eigentlichen Städtegründungswelle um 1200. Daher sprechen wir in diesem Zusammenhang in der Zeit vom 8. bis 12. Jahrhundert nicht von Städten, sondern von Zentralorten. Im Vordergrund sollen Regensburg, Neuburg und Altötting stehen, drei wichtige Orte des Königs und des bayerischen Herzogs, aber auch des Bischofs, Neuburg, kurzfristig Bischofssitz, Herzogs- dann auch Königspfalz an der Donau, wesentlicher Eckpfeiler Bayerns, schließlich Altötting, erst 1898 Stadt geworden, aber im 9. und 11. Jahrhundert der zweitwichtigste königliche Pfalzort Bayerns.
- Im 8. Jahrhundert ist in den Quellen nur von einer Metropolis (Zentralort, Hauptort) Bayerns die Rede: dies ist Regensburg. Regensburg ist schon unter den Agilolfingern der bayerische Zentralort, ebenso unter Karl dem Großen. Für ihn ist der Ort vor allem militärisches Aufmarschzentrum gegen Awaren, Slawen, für seine Nachfolger auch gegen die Ungarn.
- In der Zeit der Städtegründungswelle haben die beiden Zentralorte an der Donau Regensburg und Neuburg ihre alten Positionen erheblich ausbauen können, Altötting dagegen mußte wichtige Funktionen an das unmittelbar benachbarte Neuötting abgeben und gewann erst wieder durch die Wallfahrt im endenden 15. Jahrhundert an Bedeutung.
- In dem Vortrag sollen Charakteristika dieser alten urbanen (oder besser: "präurbanen") Frühformen dargestellt werden, ihre Aufgabe für König, Herzog und Bischof, ihre soziale Struktur und die Pflichten der ansässigen Bevölkerung, das Erscheinungsbild dieser Orte, Politik und Festkultur bei königlichen/herzoglichen Hoftagen, Handel und Handwerk aber auch die Diskrepanz zwischen kaiserlichem Hof und jener relativ stillen Zeit, in der kein Herrscher anwesend war.
- Prof. Dr. Wilhelm Störmer, geb. 1928 in Faulbach/Main. Studium der Fächer Geschichte, Germanistik und Geographie an den Universitäten München, Marburg und Würzburg. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien 1971 an der Universität München für mittlere und neuere Geschichte. 1977 Professor für mittlere und neuere Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mitglied der Leitung des Instituts für Bayerische Geschichte 1975-1993, Mitglied der Kommission für bayerische Landesgeschichte und der Kommission zur archäologischen Erforschung des spätantiken Raetien bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften sowie des Kuratoriums für vergleichende Spätgeschichte in Münster.
- Hauptarbeitsgebiete: Landesgeschichte Süddeutschlands, Verfassungsgeschichte, Adel, Kirche, Grundherrschaft, Stadt im fränkischen und altbayerischen Raum.
- Bericht im DONAUKURIER Ingolstadt:
- Bistum Neuburg im Brennpunkt des nicht gefeierten "Jubiläumsjahres"
- Neuburg (n)
- Das Neuburger Jubiläumsjahr, das keines war (oder zumindest nicht gefeiert wurde), klingt mit einer Ausstellung aus: Die Archäologie-Schau "Aller Anfang liegt im dunkeln" spart die vielgestellte Frage nach der Existenz eines Bistums Neuburg im 8. Jahrhundert nicht aus. Wie mehrfach berichtet, haben die Vertreter der Stadt auf das 1200-Jahr-Jubiläum der ersten urkundlichen Erwähnung Neuburgs in einem Papst-Brief von 798 verzichtet.
- Die Abschlußausstellung im Rathausfletz widmet sich besonders den "ersten Neuburgern". So nennen die Archäologen die Toten aus den Reihengräbern unter der heutigen Geriatrieklinik. 230 Bestattungen waren in der ersten Hälfte der 90er Jahre geborgen und ausgewertet worden.
- Gott sei Dank, sagt Oberkonservator Dr. Karl Heinz Rieder, denn was Kreis und Freistaat zwar 500 000 Mark gekostet und die Baustelle blockiert hatte, "liegt heute als Urkunde von unschätzbarem Wert vor uns". In Zusammenhang mit den Fundklassikern Seminargarten und Bittenbrunn schließt die Geriatrie-Grabung den Kreis der spektakulären Reihengräber aus dem 7./8. Jahrhundert. Sie belegen die Besiedlung zu einer Zeit, als der Name "Neuburg" bereits existierte. Und sie weisen auf die Herausbildung von Ortsadeligen hin, die mehr Einfluß und Vermögen hatten - und größere Gräber.
- Auf dem wiederbesiedelten Stadtberg, so Rieder, könnte "eine Art Landrat" gewohnt haben "und natürlich auch ein Bischof". Aber um dafür Belege zu bekommen, müßte man am Karlsplatz graben, "vielleicht sogar direkt unter Ihren Füßen", sagte Rieder den Ausstellungsbesuchern im Rathausfletz.
- Besonders interessant sei natürlich auch der Untergrund der Peterskirche, "der möglichen Bischofskathedrale", in der noch nie gegraben worden sei.
- Die Antworten der Archäologen zum Bistum Neuburg bleiben also spekulativ.
- An der Standortdiskussion wollte sich Franz Hofmeier, Historiker und Chef des Neuburger Descartes-Gymnasiums, nicht so recht beteiligen. Aber ein Neuburger Bischof im Jahr 798, der wäre im Gesamtzusammenhang "sehr plausibel", meinte Hofmeier in seinem Vortrag zur Ausstellungseröffnung.
Damals stärkten die Agilolfinger in Bayern die Abgrenzung gegenüber Franken, möglicherweise mit der Einrichtung eines Bistums Neuburg als politischem Akt.
- Der Oberstudiendirektor lobte die Archäologen trotz ihrer spezifischen Arbeits- und Ausdrucksweise als "Brückenbauer" zur Erfassung der Geschichte, besonders im Heimatbereich. Es lohne sich, der eigenen Geschichte unbefangen und intensiv auf den Grund zu gehen. Spektakel wie das Schloßfest verstärkten das Interesse, dürften aber nicht zu Verengung und "Folklorismus" führen. Vermarktungstendenzen schadeten ebenso wie die Neigung vieler Politiker, sich aus dem "Steinbruch Geschichte" das passende Stück herauszubrechen.
- Wenn solche Ausbeutung und Verkürzung sowie fundamentalistische Strömungen nicht dominieren, dann liefere der Umgang mit Geschichte ein stabiles Element in unserer hypermobilen Gesellschaft, meint Franz Hofmeier, Verfasser mehrerer Geschichtsbücher für die Mittelstufe der Gymnasien.
- Bis zum 9. Januar 1999 empfiehlt das städtische Kulturamt (gegen Eintritt) besonders Schulklassen einen Blick ins "Dunkel des Mittelalters".
- Im reichhaltigen Beiprogramm referiert am 10. Dezember Prof. Wilhelm Störmer (Uni München) über die drei bayrischen Herzogsorte Altötting, Regensburg und Neuburg, letzterer auch "kurzfristig Bischofssitz" gewesen, wie es in der Einladung heißt.
- So scheint am Ende des "Jubiläumsjahrs" auch bei Zweiflern die Neigung zu wachsen, daß es mit den Neuburger Bischöfen und der ersten Namensnennung vor 1200 Jahren doch etwas auf sich hat.
- Namhafte Wissenschaftler wie etwa Prof. Heinz Dopsch (Uni Salzburg) haben im Zuge ihrer Neuburger Vorträge '98 diese Interpretation klar unterstützt. Vierjährige Ausgrabungen am - Alternativstandort - Staffelsee und der Insel Wörth haben keine Spur von einem dortigen Bischofssitz ergeben - was für Neuburg an der Donau sprechen würde.
- Heimatforscher Roland Thiele (Neuburg) bekräftigte in seinem Vortrag im Herbst 1998 die Auffassung, daß "der Bischofssitz Neuburg klar bewiesen ist". Bei ähnlicher Ausgangslage bereits Mitte 1996 hätte es mit der 1200-Jahr-Feier vielleicht doch etwas werden können. Solche Aufhänger, so Archivdirektor Dr. Reinhard Seitz, "bekommt man in Neuburg nicht mehr."
- DONAUKURIER - 04.12.1998, 18:43
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