Logo Stadtmuseum Ingolstadt Kurt Scheuerer - Materialsammlung zum Stadtmuseum Ingolstadt
Ingolstädter Gesichter
750 Jahre Juden in Ingolstadt

 
Ingolstädter Gesichter
„Ingolstädter Gesichter“

Fotodokumentation über Mitglieder der ehemaligen jüdischen Gemeinde und deren Nachkommen.
Menschen, ihre Traditionen, Vorlieben und Gewohnheiten prägen das Gesicht der Städte, im Kleinen wie im Großen. Wenn sich die Zusammensetzung einer Stadtbevölkerung ändert, ändert sich auch das Erscheinungsbild der Stadt, nicht sofort, aber doch im Laufe der Zeit deutlich spürbar.
Das Verschwinden der jüdischen Gemeinde aus Ingolstadt im 20. Jahrhundert markiert eine solche Veränderung. Wie in vielen anderen bayerischen Städten verschwand damit auch ein Teil der ehemaligen Identität der Stadt.
Die Ausstellung „Ingolstädter Gesichter“ wird versuchen, die Geschichte heute noch lebender Mitglieder der ursprünglichen jüdischen Gemeinde Ingolstadts und deren Nachkommen aufzudecken.
In Fotos von Alisa Douer und Begleittexten von Dr. Theodor Straub wird eine Spurensuche inszeniert, die Verlust und Neuanfang eindringlich vor Augen führt.


Die Ausstellung, für die ein ausführlicher Katalog erscheint, ergänzt die stadtgeschichtliche Jubiläumsausstellung.
28. Mai bis 30. Oktober 2000
Stadtmuseum Ingolstadt, Auf der Schanz
Veranstalter: Stadt Ingolstadt, Kulturamt und Stadtmuseum




Zeugen schicksalhafter Jahre in aller Welt aufgespürt

Ingolstadt (hl)
Sie könnten zu einem guten Teil noch Ingolstädter sein: Juden aus europäischen Nachbarstaaten, aus Israel, aus den USA und aus Argentinien, die selbst oder deren Vorfahren bis zur Nazizeit in der Stadt gelebt haben. Zwölf unselige Jahre deutscher Geschichte haben ihr Leben beziehungsweise das ihrer Eltern oder Großeltern in andere Bahnen geworfen. Und dennoch gibt es heuer, im Ingolstädter Jubiläumsjahr, wieder eine Verbindung zur alten Heimat:
Im Rahmen der Ausstellung "Ingolstädter Gesichter", die ab Samstag, 27. Mai, als Teil der Präsentation zum Stadtjubiläum im Stadtmuseum gezeigt wird, werden die Ingolstädter zumindest auf Umwegen die Bekanntschaft ihrer "verhinderten Mitbürger" machen können. Die Wiener Porträtfotografin Alisa Douer hat in enger Abstimmung mit dem Ingolstädter Historiker Dr. Theodor Straub Juden mit "Ingolstädter Vergangenheit" in aller Welt aufgespürt und fotografiert.
Diese Porträts werden in der Ausstellung ebenso zu sehen sein wie Bilder aus Fotoalben jüdischer Familien, die einst an der Donau lebten. "Es geht teils um sehr, sehr Privates", erklärt dazu die Leiterin des Stadtmuseums, Dr. Beatrix Schönewald. Die Sammlung sei "packend und spannend" geraten und veranschauliche, "wie krass das Leben dieser Menschen in der NS-Zeit zerstört worden ist".
Die Ausstellung wäre ohne das Zutun von Theodor Straub wohl kaum zustande gekommen. Der frühere Geschichtslehrer des Scheiner-Gymnasiums ist bekanntlich ein exzellenter Kenner nicht nur der jüngeren Stadtgeschichte, sondern hat in seinen privaten Forschungen auch die Lebenswege vieler früherer jüdischer Mitbürger ergründet und Kontakte zu ihnen oder ihren Nachkommen geknüpft. Straub wird deshalb bei der offiziellen Eröffnung der Ausstellung am Sonntag, 28. Mai (ab 11 Uhr im Barocksaal des Stadtmuseums), auch einen Vortrag über "750 Jahre Juden in Ingolstadt" halten.
Generell ist die Sonderschau so konzipiert, dass die Besucher einen Überblick über die Rolle jüdischer Bürger in der gesamten Stadtgeschichte gewinnen können - weit über die betrüblichen Kapitel des 20. Jahrhunderts hinaus.
Auch Fotografin Alisa Douer wird bei der Eröffnung der Ausstellung, die bis zum 30. Oktober gezeigt wird, zugegen sein und über ihre Arbeit sprechen.

DONAUKURIER 17.5.2000 ©


"Ingolstädter Gesichter" laden ein

Ingolstadt (rg)
Mit einer sowohl nachdenklich als auch optimistisch stimmenden Feierstunde ist am Sonntag die Ausstellung "Ingolstädter Gesichter - 750 Jahre Juden in Ingolstadt" im Stadtmuseum eröffnet worden. Zur Freude von OB Peter Schnell waren sieben Frauen und Männer, die entweder selbst vor dem Zweiten Weltkrieg in Ingolstadt gelebt hatten oder Nachfahren von Ingolstädter Juden sind, aus Buenos Aires, Atlanta und Paris angereist.
"Sie geben uns die Möglichkeit, einander zu begegnen. Von Mensch zu Mensch", erklärte Schnell. Im Jubiläumsjahr, so der OB, wolle die Stadt nicht nur die glänzenden, sondern auch die dunklen Zeiten ins Bewußtsein rufen, "um uns in Anspruch nehmen zu lassen von dem, was hätte sein sollen und nicht geschehen ist. Aus Gedankenlosigkeit und Feigheit". Er, Schnell, verstehe die Ausstellung als Einladung zur Begegnung, als sichtbares Zeichen, dass trotz der schrecklichen Ereignisse in der NS-Zeit neue Hoffnung erwachsen ist". Ziel aller müsse es sein, Unmenschlichkeit zu verhindern.
Der OB dankte allen, die zum Gelingen der Ausstellung beigetragen haben - besonders der Wiener Porträtfotografin Alisa Douer und dem Ingolstädter Historiker Dr. Theodor Straub.
"Es gibt keinen Betriebsunfall der Geschichte, auch nicht in der deutschen Geschichte, sondern langfristige Entwicklungen, die in Katastrophen enden können oder zumindest Wege dorthin öffnen", erklärte Kulturreferent Gabriel Engert. "Dies gilt auch für den Umgang mit Minderheiten heute."
Es gehe ihr nicht um eine "einmalige, endgültige Darstellung des Geschehens", führte Alisa Douer aus, nach deren Konzept die Ausstellung gestaltet wurde. "Es geht mir um einen Dialog, damit verlorene Heimat ideell wieder erstehen kann."
Am Beispiel von Irene Schnebalg, geborene Goldschneider, aus Buenos Aires - mit 85 Jahren die "Seniorin der Ehrengäste" - zeichnete Straub das Schicksal einer ehemaligen Ingolstädter Jüdin und ihrer Familie auf und erinnerte an das Leid, das denjenigen widerfuhr, denen es nicht gelungen war, aus Nazi-Deutschland zu fliehen. Auch wenn die Überlebenden und deren Nachkommen heute nicht in Ingolstadt lebten: "Die Verbindung und Erinnerung bleibt, wenn wir sie nur wahrhaben wollen." Deshalb trage die Ausstellung den Titel "Ingolstädter Gesichter": "Sie gehören alle zu uns."
Öffnungszeiten: dienstags bis samstags 9 bis 17 Uhr, sonntags 10 bis 17 Uhr (bis 30. Oktober).

DONAUKURIER 29.5.2000 ©


Nach einem Menschenalter zu Besuch in der Heimat

Ingolstadt (peh)
An Marieluise Fleißer kann sich Irene Schnebalg noch gut erinnern: "Die hat immer ein Buch in der Hand gehabt, wenn sie über die Straße gelaufen ist", erzählt sie nach einem Empfang bei Oberbürgermeister Peter Schnell. Die mittlerweile fast 86-Jährige kam zusammen mit einigen Verwandten anlässlich der Ausstellung "Ingolstädter Gesichter" in ihre Heimatstadt, die sie 1930 verlassen hatte, ehe ihr dann 1938 die Flucht aus Nazideutschland gelang. Seitdem lebt die Jüdin mit ihrer Familie in Argentinien.
Ihren Vater hat Irene Schnebalg praktisch nicht gekannt, er fiel im Ersten Weltkrieg. Die 20er Jahre verbrachte sie bei ihrer Großmutter, die in der Kupferstraße wohnte. Vieles von dem, was sie aus ihrer Jugendzeit in Ingolstadt kannte, hat die Jahrzehnte überdauert. "Der Turnsaal ist noch genau derselbe wie damals", erinnerte sie sich bei einem Besuch im Gnadenthal-Gymnasium, wo sie zusammen mit ihrer Schwester Marga zehn Jahre lang zur Schule gegangen war.
Sehr nachgiebig und freundlich seien die Klosterschwestern gewesen. "An Samstagen wurden keine Prüfungen abgehalten", schildert sie ein Beispiel für die Rücksichtnahme der katholischen Ordensschwestern gegenüber den jüdischen Schülerinnen. Am Religionsunterricht in der Schule hat sie nicht teilgenommen - während dieser Stunden betreute sie die Erstklässler. Dafür erhielt sie regelmäßig Einweisungen in die jüdische Religion.
"Es war auch völlig normal, am Freitagabend und am Samstag in die Synagoge zu gehen", schildert sie das Leben der jüdischen Mitbürger in Ingolstadt während der 20er Jahre. Ihr Großvater Markus Möllerich trug dazu immer einen schwarzen Anzug und einen Zylinder. Dieser war vor 115 Jahren als 25-Jähriger nach Ingolstadt gekommen und hatte eines der führenden Schuhgeschäfte der Stadt gegründet. Nach dessen Tod führte ihre Großmutter Helene das Geschäft noch bis Anfang der 30er Jahre weiter, ehe die Familie nach Nürnberg umzog.
Bei den zahlreichen Aufmärschen in der "Stadt der Reichsparteitage" hat sie auch mehrmals Adolf Hitler und andere Parteigrößen gesehen. Nach der Machtergreifung durch die Nazis wurde der Familie klar, dass sie alle in Lebensgefahr schwebten. 1938 gelang schließlich ihr und der Mutter die Flucht nach Buenos Aires, wo ihre Schwester bereits seit einem Jahr wohnte. Allein die Großmutter konnte nicht mehr emigrieren. Sie wurde 1942 mit zahlreichen anderen jüdischen Bürgern nach Theresienstadt deportiert, wo sie bereits einen Monat später an den unmenschlichen Lagerbedingungen starb.

DONAUKURIER 31.5.2000 ©


Zeitzeugin berichtete von Flucht

Ingolstadt (sma)
Käthe Joseph spricht mit dünner und leicht gebrechlicher Stimme, als sie vor den rund 100 Jugendlichen der multinationalen Jugendbegegnung von ihrer Kindheit und der anschließenden Emigration aus Deutschland erzählt. Die in Ingolstadt geborene Jüdin ist auf Einladung der Stadt anlässlich der 750-Jahr-Feier hier und wurde auch vom Stadtjugendring gebeten, zu dem Motto "Jugend in Europa: gestern, heute, morgen" ein paar Worte an die Jugendlichen aus aller Welt zu richten.
Diese hingen gebannt an den Lippen der kleinen Dame, als sie im Barocksaal des Stadtmuseums über die Nazizeit in Ingolstadt erzählte. Die 1916 als Tochter eines jüdischen Herrenausstatters geborene Käthe Joseph ließ ihre damalige Schulzeit Revue passieren und erzählte, wie sie aufgrund ihrer jüdischen Religion diskriminiert wurde und nicht an den Olympischen Spielen im Jahre 1936 hatte teilnehmen dürfen. Obwohl sie bayerische Meisterin im Fechten geworden war, wurde ihr die zweite Siegerin vorgezogen, die dann nach Berlin fahren durfte. "Wir wollen nicht, dass Juden den ersten Preis gewinnen", war damals das rassistische Argument der Machthaber.
Eines Nachts waren dann die Schaufenster-Scheiben des Geschäfts ihrer Eltern mit Pflastersteinen eingeworfen worden. Daraufhin verkauften ihre Eltern schweren Herzens den Laden und flüchteten nach München in die Anonymität der Großstadt. 1938 emigirierte Käthe Joseph dann in die USA. Ihre Mutter und Schwester aber starben beide im Konzentrationslager in Ausschwitz.
Nachdem Käthe Joseph mit leiser und ruhiger Stimme vom Schicksal ihrer Familie berichtet hat, ist es still geworden im Saal. Nur ihr Einwurf "Gibt es irgendwelche Fragen?", bricht das Schweigen und ermutigt die interessierten Jugendlichen, mit ihr in den Dialog zu treten. Ob sie denn all die Jahre nach ihrer Emigration noch Freunde in Ingolstadt habe, will jemand wissen. "Ich habe immer noch gute Freunde in Ingolstadt", gibt Käthe Joseph bereitwillig Auskunft. "Mit Frau Wenzel, die heute auch dabei ist, bin ich seit der ersten Klasse befreundet."
Alle zwei bis drei Jahre besucht die Wahlamerikanerin gemeinsam mit ihrem Mann Otto ihre alte Heimat Ingolstadt. Bis sie das erste Mal nach den schrecklichen Kriegsereignissen wieder zu diesem Schritt bereit war, habe es allerdings einige Jahre gedauert. 33 Jahre hatte sie ihrer Geburtsstadt den Rücken gekehrt und war erst 1971 wieder in Ingolstadt zu Besuch. Damals sei sie verwundert gewesen, wie wenig sich die Stadt verändert habe, wenngleich sie auch viel größer geworden sei.

DONAUKURIER 24.7.2000, 20:25 © 1999


Professor Dr. Guy Stern referiert im Stadtmuseum

Ingolstadt (e)
Der deutsch-amerikanische Germanist Prof. Dr. Guy Stern von der Wayne State University Detroit/Michigan spricht am Sonntag, 30. Juli, um 11 Uhr über "Freiwilliges deutsches Engagement für jüdische Belange in Israel und USA nach 1945".
Der Vortrag gehört zur Veranstaltungsreihe "Ingolstädter Gesichter - 750 Jahre Juden in Ingolstadt" und findet im Barocksaal des Stadtmuseums statt. Der Eintritt ist frei.

DONAUKURIER 27.7.2000, 18:37 © 1999


29.10.2000, 11 Uhr

Verfolgung, Vertreibung, Vernichtung
Juden in Ingolstadt von 1918-1945

Vortrag von Dr. Theodor Straub
Im Rahmen der Ausstellung „Ingolstädter Gesichter – 750 Jahre Juden in Ingolstadt"

Ingolstadts wirtschaftliche Vorkriegsblüte hatte ganz auf dem Fortbestand der internationalen Spannungen beruht. Gerade auch in Ingolstadt wurde deshalb durch die Weltkriegsniederlage aus der unbedeutenden antisemitischen Vorkriegssekte eine militante Glaubensbewegung, von vielen "Mussdemokraten" im "vaterländischen" Ingolstadt unterstützt.
Nie zuvor war die Integration der jüdischen Neubürger so weitgehend gewesen wie im Krieg und in der Weimarer Nachkriegszeit. Aber auch nie seit dem Mittelalter hatte der Judenhass wieder zu solchen menschlichen Entgleisungen geführt wie jetzt im "Donauboten" und im Nazimilieu.
Die jüdischen Ingolstädter setzten sich vergeblich zur Wehr, unterstützten die Sozialdemokratie im Kampf um die Weimarer Republik.
Ab 1933 vollzog sich die Verfolgung systematisch, bürokratisch, "legal", "Judenboykotttag" (1933) und "Judenpranger" im "Donauboten" (1935), mit Verdrängung aus Vereinen, Lokalen und Geschäftsleben, Auswanderungs- und Arisierungsdruck und endete erst mit der Vernichtung von Synagoge und Taharahaus und der Austreibung der noch immer nicht geflohenen kleineren Gemeindehälfte am Reichspogromtag 1938.
Einem Teil der jüdischen Ingolstädter gelang noch rechtzeitig oder eben noch die Emigration. Einige wurden zum Selbstmord getrieben. Etwa 85 wurden in östlichen Wäldern, in Konzentrations- und Todeslagern Opfer des deutschen, staatlichen Massenmords.

Ort: Wechselausstellungsräume des Stadtmuseums Ingolstadt, Auf der Schanz 45, 85049 Ingolstadt
Zeit: Sonntag, 29. Oktober 2000, 11 Uhr. Eintritt frei

Impressum - Nachricht hinterlassen: Kurt Scheuerer, D 85049 Ingolstadt
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