26.10.1999
Prof. Dr. Werner Seibt, Wien
Byzantinische Siegelkunde
Kleine Schwester oder Rivalin der Numismatik?
Es ging zunächst um Wechselwirkungen, gegenseitige Hilfestellungen, Methodennähe, aber auch um grundsätzlich verschiedene Schwerpunkte und Fragestellungen.
Beim Ersatzgeld aus Blei (kürzlich von Mme. Morrisson behandelt) verschwimmen die Grenzen überhaupt.
Dass für die überwiegend anonymen römischen und frühbyzantinischen Plomben mit Kaiserbild (oder diesem nachgeahmten Porträts) der numismatische Befund wichtigstes Hilfsmittel ist, leuchtet jedem ein.
Offenbar war die Verwendung des Kaiserbilds zur Siegelung in der Spätantike viel weniger eingeschränkt als später (viele Plomben stammen von den Reichsgrenzen!).
Zwei Beispiele sollten sigillographische Hilfestellung für die Numismatik exemplifizieren.
Der vieldiskutierte Miliaresientypus mit der Gottesmutter Nikopoios ("die Siegbringende" wo Maria ein Christusmedaillon mit beiden Händen vor der Brnst hält), wurde von Ph. Grierson mit dem Sieg Basileios' II. über den Usurpator Bardas Phokas (989) verbunden, auf Siegeln taucht dieser Bildtypus allerdings erst ab 1030/31 massiv auf, als ein einst übermaltes Fresko in der Blachernenkirche wiederentdeckt wurde; damals ließ Kaiser Romanos III. auch eine Goldmünze mit diesem Typus prägen.
Es wurden bereits Verschlechterungen beim Silbergehalt des Miliaresions festgestellt, die gegen eine Datierung ins 10. Jh. sprachen.
Kürzlich publizierte V. Penchev in den Numizmatika i sfragistika (Sofia) V1 (1998) einen 1049/50 vergrabenen Miliaresienschatz, der neben 596 Münzen des Monomachos, die unmittelbar davor geprägt worden waren, und einer einzigen von Romanos III. (1028-34) immerhin 113 Miliaresien mit obigem Nikopoios-Typus aufweist.
Diese Münzen stammen demgemäß aus 1042 (Kaiserinnen Zoe und Theodora) oder ev. 1040 (Michael V. und Zoe).
Der Episkepsis-Typus (Gottesmutter ebenfalls mit dem Christusmedaillon vor der Brust, aber mit betend erhobenen Armen), ist auf Siegeln ab ca. 1060 nachzuweisen und spielte in der Komnenenzeit die dominierende Rolle.
Im Zusammenhang mit dem problematischen Adcacoca-Schatzfund kam aber plötzlich eine Goldmünze auf den Markt, die vorgibt, 1042 für Zoe und Theodora geprägt worden zu sein.
Ph. Grierson tritt für die Echtheit ein.
Es besteht allerdings der Verdacht, dass es sich um eine moderne Fälschung handelt.
Den größeren Teil des Vortrags nahmen dann Siegelbeispiele ein, die die unglaubliche Typenvielfalt und historische bzw. kunsthistorische Aussagekraft der byzantinischen Siegel exemplarisch darstellten.
K.C. NNB 1/00 S. 23/24.
15.12.1999
Weihnachtssitzung mit anschließender Tombola und gemütlichem Beisammensein.
Dr. H. R. Baldus
Nürnberger Rechenpfennige des früheren 19. Jhs. als Kleingeldersatz im Osmanischen Reich - das Beispiel Didyma.
In Nürnberg hergestellte "Rechenpfennige", sogenannte "Dantes", wurden im späten 18., frühen 19. Jh. in großer Zahl für den Export in die Türkei produziert (C. F. Gebert, MBNG 35, 1917, z.B. 29).
Dr. Baldus berichtete von einer Gruppe solcher Marken/Jetons, die an verschiedenen Stellen deutscher archäologischer Ausgrabungen 1962-1998 beim Apollon-Heiligtum von Didyma gefunden wurden.
Trotz wechselnder Herstellernamen zeigen die nur ca. 0,3-0,4 g schweren und 13 mm großen, dünnen Exemplare einen gemeinsamen Grundtypus: Kosmische Symbole / Segelschiff.
Gleiches Design spricht für gleichen Wert.
Ähnliche Stücke wurden auch bei den DAI-Grabungen in Bergama/Pergamon entdeckt.
Baldus versuchte, anhand von Detailbeobachtungen zu klären, wozu die Stücke hier, im Westen der heutigen Türkei, verwendet wurden: Als Schmuck, Spiel- oder andere Marken, als Geldersatz?
Insbesondere die zusammen mit osmanischen Kleinmünzen ähnlicher Größe in der ehemaligen Kirche, der heutigen Moschee, von Didyma gefundenen, ungelochten Stücke lassen an die Verwendung von Ersatz-Kleingeld denken.
Mit der Verbesserung der osmanischen Kleingeldversorgung ca. ab dem mittleren 19. Jh. entfällt nämlich offensichtlich die Nachfrage nach diesen "türkischen Dantes", stirbt sozusagen der Handel mit ihnen und die Nürnberger Produktion wird schließlich ganz eingestellt.
NNB 4/00 S. 143.