Kurt Scheuerer - Materialsammlung zur Numismatik
Kurzberichte zu früheren Vorträgen der
Bayerischen Numismatischen Gesellschaft e.V.

 
Kurzberichte von Klaus Christiansen
Schriftführer der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft e.V.
veröffentlicht im
Numismatischen NachrichtenBlatt der Deutschen Numismatischen Gesellschaft


22.09.1998
Dr. Wilhelm Hollstein, Münzkabinett Dresden,
Die römische Didrachmenprägung im 3. Jh. v.Chr.

Ausgangspunkt des Vortrages war die von der englischen Forschung vertretene relative Chronologie der insgesamt acht verschiedenen Didrachmenserien. Der Referent verfeinerte diese unter Einbeziehung der schriftlichen Quellen zur frühen römischen Silber- und Goldprägung sowie der Interpretation von Münzbildern.
Bei der "Hercules/Wölfin mit Zwillingen"-Didrachme sowie dem "Schwurszenengold" und den "Quadrigati" liegt die Annahme nahe, daß die jeweils amtierenden Konsuln für die Gestaltung der Münzbilder verantwortlich waren. Diese Prämisse führte zur chronologischen Einordnung und der Deutung der Münzbilder weiterer Didrachmentypen. Die in den Münzbildern präsentierten Themen wie Tempelweihe, Abstammung, militärische Siege, Errichtung von Denkmälern etc. dienten der Selbstdarstellung der Konsuln und in ihrer Gesamtheit der führenden Schicht, der Nobilität, in Rom.
Diese Themen finden sich dann in den Münzbildern der republikanischen Denare seit Ende des 2. Jahrhunderts wieder, als die Münzmeister für die Auswahl der Bilder verantwortlich waren.

K.C. NNB 1/99, S. 23-24.


24.11.1999
Prof. Dr. Hans-Jörg Kellner
Was war die Kleine Kipperzeit (Ende 17. Jh.)?

Anders als die "Schinderlingszeit" des 15. Jh.s und die "Große Kipperzeit" des frühen 17. Jh.s ist besagte Epoche erheblich weniger bekannt und auch wissenschaftlich nicht gebührend aufgearbeitet. An zeitgenössischem Schrifttum herrscht aber wahrlich kein Mangel!
In der zweiten Hälfte des 17. Jh.s, nicht lange nach den Friedensschlüssen von Münster und Osnabrück, als besonders im "flachen Lande" die Folgen der Kriegsfurie noch längst nicht überwunden waren und allgemein Teuerung und große Verschuldung herrschten, gab es ja noch kein "Kreditgeld", auch war der Begriff "Volkswirtschaft" völlig unbekannt. Nach wie vor versuchte man, sich nach den auf dem alten Reichstaler basierenden Reichs- und Kreismünzordnungen des 16. Jh.s zu richten, welche bekanntlich stets (Edel-)Metall als Gegenleistung für Waren und Dienstleistungen bedingten.

Vergessen sei hier aber auch nicht, daß damals im Südosten des Reiches die Habsburger unter Kaiser Leopold I. (1657-1705) kostspielige, fast den Staatsbankrott verursachende Kriege mit den Türken zu führen hatten (1683, 2. Belagerung Wiens). Aus jener Geldnot heraus entschloß man sich, etwa 20% unter dem Reichsfuß zu prägen - so wurden allein in Wien zwischen 1659 und 1665 28 3/4 Millionen 15-Kreuzerstücke geschlagen, welche ihren Weg natürlich auch nach Norden fanden. In Bayern galt diese Sorte im Mai 1665 nur noch 12 Kreuzer.
Gestützt im wesentlichen auf sein Werk "Die Münzgeschichte des Hochstifts Passau" wies Kellner nach, daß diese sich bis fast 1700 erstreckende Kleine Kipperzeit längst nicht derart krass empfunden worden war, wie die Große vom Beginn des Jahrhunderts. Die Gefahr, durch die Reichsgewalt belangt zu werden, blieb trotz gelegentlicher handstreichartiger Aushebungen von "Heckenmünzstätten" durch Militär äußerst gering, die "Kesselstrafe" hatte kaum jemand mehr zu fürchten.
Gern edierte man kleine Sorten (bis 1/3 Taler) als sogenannte Landmünzen. Immerhin: Wie die Analyse einschlägiger Sorten ergeben hat, hielten diese noch zwischen 800 und 960 Tsd. Feinsilber, der Schaden hielt sich also noch in Grenzen.

Bei den monetären Praktiken während der Kleinen Kipperzeit mutierte der alte, gesetzmäßige Reichs- bzw. Speziestaler von knapp 30 Gramm Rauhgewicht zu einer Art "Handelsmünze" mit z.T. extrem hohem "Agio". Reichs-Münzgewicht war resp. blieb damals die Kölner Mark mit ihren knapp 234 Gramm, als Hauptwährungsmünze fungierte der 2/3-Taler/Gulden.
Die Kreise mit ihren Probationsordnungen, sofern sie nach Kriegsende überhaupt wieder entsprechend tätig werden, die vorgeschriebenen Tagungen abhalten konnten, vermochten die schlimme Entwicklung im Münzwesen kaum zu bremsen, und auch der immerwährende Regensburger Reichstag mußte da letztlich erfolglos bleiben.
Die entscheidende Initiative zur Konsolidierung der monetären Verhältnisse mußte schon von den mächtigen Territorialstaaten ausgehen. In Süddeutschland gab es damals die drei im Münz- und Geldwesen "korrespondierenden" Kreise, welche dann 1694 endlich wieder zur Talerprägung schreiten sollten.
Zuvor aber hatten sich bereits 1667 im Vertrag zu Kloster Zinna (b. Wittenberg) Brandenburg und Sachsen auf einen leichteren Talerfuß geeinigt (10 2/3 statt 9 aus der Mark), aber erst die Leipziger Konvention von 1690 (12-Talerfuß, sog. Leipziger Fuß, ab 1738 Reichsfuß), sollte hier eine Art Wende bringen.

K.C. NNB 1/99, S. 23-24.


27.04.1999
Josef Hackl
Die Münzstätte Neumarkt in der Oberpfalz (1374-1626)
und ihre Pfalzgrafen und Kurfürsten als Münzherren

Nach einer historischen Einleitung ging der Referent speziell auf die monetären Verhältnisse der 1160 urkundlich erstmals erwähnten, an der wichtigen Handelsstraße Regensburg-Nürnberg liegenden Residenzstadt (einer pfälzischen Nebenlinie) Neumarkt ein.
Die Oberpfalz war im Mittelalter durch ihre Eisenproduktion ja viel wirtschaftskräftiger als heute.
In Neumarkt prägten - sporadisch - acht wittelsbachisch-pfälzische Dynasten, an autonome urbane Gepräge war natürlich nicht zu denken, der Beginn der Prägung war 1374. Es handelte sich zunächst unter den Pfalzgrafen Rupert II. und III. um Pfennige Würzburger Schlages, später dann "Regensburger".
Nach der bayerisch-regensburgischen Münzkonvention von 1397 wurde die Münzstätte bis 1458 geschlossen, als unter Pfalzgraf Otto I. von Pfalz-Mosbach Schwarzpfennige, später "stumme" Heller geschlagen wurden. Die Prägetätigkeit wurde ausgeweitet, 1496 und 1498 gibt es sogar datierte Goldgulden, unter Kurfürst Friedrich II. (1545-49) begann man in Neumarkt auch mit der Talerprägung. Die Prägung setzte sich fort bis zum Erwerb der Oberfalz durch Bayern im 30jährigen Krieg, danach sollte in Neumarkt nie wieder regulär geprägt werden.

K.C. NNB 7/99, S. 304.

siehe auch: Medaille Wolfsteiner Rittergeschlecht


26.10.1999
Prof. Dr. Werner Seibt, Wien
Byzantinische Siegelkunde
Kleine Schwester oder Rivalin der Numismatik?

Es ging zunächst um Wechselwirkungen, gegenseitige Hilfestellungen, Methodennähe, aber auch um grundsätzlich verschiedene Schwerpunkte und Fragestellungen. Beim Ersatzgeld aus Blei (kürzlich von Mme. Morrisson behandelt) verschwimmen die Grenzen überhaupt. Dass für die überwiegend anonymen römischen und frühbyzantinischen Plomben mit Kaiserbild (oder diesem nachgeahmten Porträts) der numismatische Befund wichtigstes Hilfsmittel ist, leuchtet jedem ein. Offenbar war die Verwendung des Kaiserbilds zur Siegelung in der Spätantike viel weniger eingeschränkt als später (viele Plomben stammen von den Reichsgrenzen!).

Zwei Beispiele sollten sigillographische Hilfestellung für die Numismatik exemplifizieren. Der vieldiskutierte Miliaresientypus mit der Gottesmutter Nikopoios ("die Siegbringende" wo Maria ein Christusmedaillon mit beiden Händen vor der Brnst hält), wurde von Ph. Grierson mit dem Sieg Basileios' II. über den Usurpator Bardas Phokas (989) verbunden, auf Siegeln taucht dieser Bildtypus allerdings erst ab 1030/31 massiv auf, als ein einst übermaltes Fresko in der Blachernenkirche wiederentdeckt wurde; damals ließ Kaiser Romanos III. auch eine Goldmünze mit diesem Typus prägen. Es wurden bereits Verschlechterungen beim Silbergehalt des Miliaresions festgestellt, die gegen eine Datierung ins 10. Jh. sprachen. Kürzlich publizierte V. Penchev in den Numizmatika i sfragistika (Sofia) V1 (1998) einen 1049/50 vergrabenen Miliaresienschatz, der neben 596 Münzen des Monomachos, die unmittelbar davor geprägt worden waren, und einer einzigen von Romanos III. (1028-34) immerhin 113 Miliaresien mit obigem Nikopoios-Typus aufweist. Diese Münzen stammen demgemäß aus 1042 (Kaiserinnen Zoe und Theodora) oder ev. 1040 (Michael V. und Zoe).

Der Episkepsis-Typus (Gottesmutter ebenfalls mit dem Christusmedaillon vor der Brust, aber mit betend erhobenen Armen), ist auf Siegeln ab ca. 1060 nachzuweisen und spielte in der Komnenenzeit die dominierende Rolle. Im Zusammenhang mit dem problematischen Adcacoca-Schatzfund kam aber plötzlich eine Goldmünze auf den Markt, die vorgibt, 1042 für Zoe und Theodora geprägt worden zu sein. Ph. Grierson tritt für die Echtheit ein. Es besteht allerdings der Verdacht, dass es sich um eine moderne Fälschung handelt.

Den größeren Teil des Vortrags nahmen dann Siegelbeispiele ein, die die unglaubliche Typenvielfalt und historische bzw. kunsthistorische Aussagekraft der byzantinischen Siegel exemplarisch darstellten.

K.C. NNB 1/00 S. 23/24.


15.12.1999
Weihnachtssitzung mit anschließender Tombola und gemütlichem Beisammensein.
Dr. H. R. Baldus
Nürnberger Rechenpfennige des früheren 19. Jhs. als Kleingeldersatz im Osmanischen Reich - das Beispiel Didyma.

In Nürnberg hergestellte "Rechenpfennige", sogenannte "Dantes", wurden im späten 18., frühen 19. Jh. in großer Zahl für den Export in die Türkei produziert (C. F. Gebert, MBNG 35, 1917, z.B. 29). Dr. Baldus berichtete von einer Gruppe solcher Marken/Jetons, die an verschiedenen Stellen deutscher archäologischer Ausgrabungen 1962-1998 beim Apollon-Heiligtum von Didyma gefunden wurden.
Trotz wechselnder Herstellernamen zeigen die nur ca. 0,3-0,4 g schweren und 13 mm großen, dünnen Exemplare einen gemeinsamen Grundtypus: Kosmische Symbole / Segelschiff. Gleiches Design spricht für gleichen Wert. Ähnliche Stücke wurden auch bei den DAI-Grabungen in Bergama/Pergamon entdeckt.
Baldus versuchte, anhand von Detailbeobachtungen zu klären, wozu die Stücke hier, im Westen der heutigen Türkei, verwendet wurden: Als Schmuck, Spiel- oder andere Marken, als Geldersatz?
Insbesondere die zusammen mit osmanischen Kleinmünzen ähnlicher Größe in der ehemaligen Kirche, der heutigen Moschee, von Didyma gefundenen, ungelochten Stücke lassen an die Verwendung von Ersatz-Kleingeld denken. Mit der Verbesserung der osmanischen Kleingeldversorgung ca. ab dem mittleren 19. Jh. entfällt nämlich offensichtlich die Nachfrage nach diesen "türkischen Dantes", stirbt sozusagen der Handel mit ihnen und die Nürnberger Produktion wird schließlich ganz eingestellt.

NNB 4/00 S. 143.


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